Link: | Ultra-Trail di Corsica | Strecke | Ergebnis | Ergebnis (pdf) |
Zeiten: | CP0 | CP1 | CP2 | CP3 | CP4 | CP5 | CP6 | CP7 | Geschw. | Platz | |
Um 23:00 Uhr erfolgt im Zentrum von Corte der Start zum Ultra Trail di Corsica. Obwohl 110 Kilometer und 7400 Meter Kraxelei rauf und 7400 Meter Kraxelei runter vor mir liegen, bin ich guter Dinge. Zunächst geht es ein paar hundert Meter über die Hauptflaniermeile. Von den Leuten am Straßenrand und in den Straßencafés erhält man einigen Zuspruch.
Nach einem guten Kilometer lässt der Tross von 237 Startern Corte hinter sich und es geht den ersten Berg hinauf. 1400 Meter auf 6,5 Kilometer. Schon zu Beginn ein echtes Brett. Nach ca. 10 Kilometern kommt endlich mal ein flaches Stück über einen gut ausgebauten und befestigten Weg. Endlich kann man mal normal laufen und etwas Zeit gut machen. Ich träume so vor mich hin und stolpere über den gefühlt einzigen Stein weit und breit. Na, das fängt ja gut an. Das Rennen hat noch nicht einmal richtig begonnen und schon liege ich auf der Klappe. Wenn das so weiter geht muss ich aufpassen, dass ich das hier überlebe. Mit Ausnahme des Stückes, auf dem ich mich eben hingelegt habe, ist es eine recht schwierige und technisch anspruchsvolle Strecke. Oft geht es sehr steil bergauf oder bergab. Probleme bereiten mir vor allen Dingen die steilen Bergabpassagen mit losem Gerümpel drauf. Tritt man dort auf irgendeinen Stein kann man sich nie sicher sein, ob sich das Teil bewegt und man in der Folge den Halt verliert. Einmal kugelt sich ein Hand- bis Fußball großer Stein nach dem Drüberlaufen auf meinen Fuß. Ich bin heilfroh als ich merke, dass der Mittelfuß nur schmerzt und offensichtlich nichts gebrochen ist. Glück gehabt. Ein paar Stunden später muss ein Bachlauf überquert werden. Ich trete auf einen Stein, der Klotz bewegt sich und knallt gegen mein Fußgelenk. Ich war ja vorher schon langsam, aber nun kann ich für die nächsten ein paar hundert Meter nur noch humpeln, bevor es wieder einigermaßen geht. Der erste Checkpoint mit Cut-Off ist "Calacuccia" bei Kilometer 32,3. Ich erreiche ihn um 6:15 Uhr, wobei der Cut-Off 9 Uhr gewesen wäre. Damit kann ich noch zufrieden sein. Außerdem kehren nach der langen, schwierigen Nacht mit vielen Tiefen nun langsam ein paar Lebensgeister zurück. Ich mache mit fast 20 Minuten eine längere Pause, trinke viel und esse zwei kleine Schälchen Nudelsuppe. Nachdem ich mich mit 50er Sonnencreme für den kommenden Tag fit gemacht habe, geht es frisch gestärkt und frohen Mutes auf den Weg. Kurz danach genehmige ich mir einen Extrakilometer, da ich blöderweise einen Abzweig verpasse. Der nächste Checkpoint ist auf dem Gipfel des 2706 Meter hohen Monte Cinto, dem höchsten Berg Korsikas. 1870 Meter Anstieg auf 10,6 Kilometern sind aber bis dahin noch zu überwinden. Ich bin einigermaßen gut beieinander und komme ganz gut voran. Als es nach ca. 2-3 Stunden wieder mal richtig steil und felsig wird, geht es mir plötzlich ganz dreckig. Mir ist schlecht und überhaupt. Nichts geht mehr. Alle 10-20 Höhenmeter muss ich mich hinsetzen und ausruhen, obwohl ich es nicht will. Es sind noch knapp 1000 Höhenmeter bis zum Gipfel. Das kann dauern. Zweihundert Meter unterhalb des Gipfels, ich hocke gerade in einer Felswand, sehe ich einen Hubschrauber wie er vom Gipfel Leute herunter holt. Als ich den Gipfel erreiche, muss ich erstmal warten, da der Hubschrauber erneut im Anflug ist, um jemanden abzuholen. Hoffentlich ist nichts Schlimmeres passiert. Der Abstieg ist übel. Ein paar zig Meter steil runter, dann wieder hoch um den nächsten Gipfel zu erklimmen, bevor es dann wieder 1000 Meter bergab geht. Die Strecke ist sehr schwierig. Oft rutsche ich weg und kann mich meistens gerade noch so auf den Beinen halten. Als es fast so scheint, dass das Gröbste überstanden ist, rutsche ich unglücklich weg und ramme mir meinen linken großen Zeh unter einen Felsen. Sofort merke ich, dass das richtig sch.... war. Ich kann nicht mehr auftreten. Entweder der Zeh ist gebrochen oder schwer verstaucht und gequetscht. Ich denke sofort, dass ich das nicht einfach so rauslaufen kann und dass es das Aus bedeuten könnte. Da ich mit dem Zeh nun noch wackeliger auf den Beinen bin als vorher, kann ich mich ein paar Minuten später, als ich wieder mal wegrutsche, nicht mehr halten und schlage mit Lippe und Schneidezähnen auf einem Felsen auf. Die Lippe blutet, aber der Zahn ist noch ganz. Das wäre ja jetzt noch die Krönung gewesen. Unter starken Schmerzen schaffe es irgendwie noch bis zum nächsten Checkpoint. Dort ist leider kein Arzt. Ich klebe den großen Zeh an den daneben liegenden und hoffe, dass es damit evtl. gehen wird. Ein Helfer "leiht" mir auf Nachfrage zwei Schmerztabletten, die aber leider nichts bewirken. Bald geht es die nächste Felswand hoch. Klettern mit einem mindestens verstauchtem Zeh. Das ist mega doof, um es mal vorsichtig auszudrücken. Der nächste Checkpont ist bei Kilometer 54 an einer Hütte mit Zeltplatz. Viele Wanderer ruhen sich schon in Ihren kleinen Kuppelzelten aus, denn es ist schon 19:00 Uhr. An dem Checkpoint gibt es nichts außer Wasser aus einem Brunnen, also schnell weiter. Bis zum nächsten Checkpoint geht es über 600 Meter bergab. Das ist fast noch schlimmer als bergauf, denn der Geröllweg mit dicken, losen Brocken ist für meinen angedätschten Zeh eine Qual. Ich komme nicht vernünftig voran. Die Tabletten wirken nicht und es vergeht Stunde um Stunde. Für die 8 Kilometer bis zum Checkpoint bei Kilometer 62,2 benötige ich fast 3 Stunden. Ganz übel. Obwohl ich im Moment noch eine Stunde Zeit bis zum Cut-Off habe ist eigentlich klar, dass ich es mit dem Zeh nicht mehr innerhalb des Zeitlimits ins Ziel schaffen kann. Auch mache ich mir Gedanken, ob es für einen evtl. gebrochenen Zeh besonders toll ist, wenn ich damit jetzt nochmal 20 Stunden herumhumpele und -klettere. Ich bin mega angep.... und entscheide ich mich zum ersten Mal dafür, aufzugeben. Gegen 23 Uhr geht es mit ca. 10 anderen "Loosern" in einem Minibus zurück nach Corte. Von dort latsche ich noch 2 Kilometer bis zu unserer Wohnung und bin mir immer noch nicht sicher, ob es richtig war, das Rennen vorzeitig zu beenden. |
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